Arbeitsrecht & COVID-19
Kurzarbeit, Home-Office Co. – Arbeitsrechtliche Lösungsansätze in Zeiten der Pandemie
Die „Covid-19“-Krise verlangt allen einiges ab, privat wie beruflich. Sie als Arbeitgeber sehen sich zahlreichen gut gemeinten und teilweise auch gut gedachten gesetzlichen und behördlichen Lösungsansätzen gegenüber. Die Aufrechterhaltung der Liquidität, (damit verbunden) die Kürzung von Ausgaben, die Anpassung aller Aktivitäten an den „Krisenmodus“ und nicht zuletzt die Solidarität mit den eigenen Arbeitnehmern wollen im besten Falle zugleich verfolgt und erreicht werden.
Sicherlich sind die Mitte März von der Bundesregierung beschlossenen Instrumente, insbesondere das
- Kurzarbeitergeld,
insoweit vorzugswürdig, als sie Deckungsbeiträge von dritter Seite für die Ausgaben der Arbeitgeber vorsehen. Daher ist das Kurzarbeitergeld ein hilfreiches Instrument, um angesichts der derzeitigen Unsicherheiten die mit der Fortzahlung des Entgelts verbundenen Risiken wirksam zu mildern („Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ vom 13.03.2020 (BGBl. I, 12/2020, 493 ff.)).
Da ein Instrument jedoch nur so gut ist wie dessen Umsetzung bei der Bundesagentur für Arbeit (Antragsverfahren, Bearbeitungsdauer, Dauer bis zum Mittelzufluss), kommen darüber hinaus kurzfristig weitere Maßnahmen in Betracht, mit denen die Arbeitsvertragsparteien solidarisch in der Lage sind, den „Covid-19“-typischen Behinderungen und Ausfällen entgegenzuwirken.
- „Homeoffice“ ermöglicht abhängig von der Branche, der Tätigkeit und den technischen Voraussetzungen weitgehend die Aufrechterhaltung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung.
- Arbeitszeitkonten ermöglichen es den Parteien, Schwankungen im Umfang der Arbeitsleistung zu erfassen und zu einem späteren Zeitpunkt auszugleichen.
- Sonstige Maßnahmen
Im Einzelnen:
Kurzarbeitergeld
Im Überblick:
- Alle Mitarbeiter können auf bis zu 0% Arbeitszeit runtergefahren werden.
- Die Mitarbeiter bekommen 60% des Verdienstausfalls (67% wenn sie Unterhaltspflichten für mindestens ein Kind haben) und somit je nach Gehaltshöhe und Anzahl der betroffenen Arbeitszeit 50-95% des Nettolohns. Bei Mitarbeitern über der Beitragsbemessungsgrenze ist das Delta am größten, weil bei der Berechnung nur das beitragspflichtige Einkommen zugrunde gelegt wird. Bei geringen Einkommen ist das Delta am niedrigsten.
- Beispiel: Jemand mit 2.500 EUR Nettolohn bekommt bei 0 Stunden ~1.650 EUR Netto. Bei 50% Reduzierung bekommt die Person den “normalen” Lohn für die 50% geleistete Arbeit plus 60/67% der 50%, die wegen Kurzarbeit wegfallen (also nochmal 30-33%)
- Nettorechner hier: https://www.nettolohn.de/rechner/kurzarbeitergeld/ergebnis.
Voraussetzungen:
- V.a. erheblicher Arbeitsausfall und dadurch Entgeltverlust in Höhe von mindestens 10% für ein Minimum von ⅓ der MA (Auf Grundlage eines am 13.3.2020 beschlossenen Gesetzes kann die Bundesregierung den Schwellenwert von 1/3 auf bis zu 10% absenken. Damit wird für die nächsten Tage gerechnet.)
- Kurzarbeit kann nur mit rechtlicher Ermächtigungsgrundlage, z.B. einer Kurzarbeitsklausel in den Arbeitsverträgen, eingeführt werden. Wo eine solche Grundlage fehlt: Vorab Vertragsergänzung, die von jedem Mitarbeiter unterschrieben werden muss, dass Kurzarbeit angeordnet werden kann.
Offen:
- Sozialversicherungsbeiträge: Derzeit noch vom Arbeitgeber zu tragen. Die o.g. Gesetzesänderung sieht aber vor, dass die Bundesregierung eine vollständige oder teilweise Erstattung der Beiträge durch die Agentur für Arbeit beschließen darf. Das wird möglicherweise schon in der nächsten Woche umgesetzt.
Anmeldung:
- Es empfiehlt sich, vor der Einreichung der Dokumente zur Beantragung von Kurzarbeitergeld frühzeitig Kontakt mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen und offene Fragen vorab zu klären. Die Arbeitsagenturen weisen darauf hin, dass das Telefonnetz überlastet ist, Anrufe bei Arbeitsagenturen und Jobcentern sollen auf Notfälle beschränkt werden. Es wird darum gebeten, Anträge formlos per Mail oder über den eService der Arbeitsagenturen zu stellen oder in den Hausbriefkasten einzuwerfen.
Problem:
- Der Arbeitgeber bekommt das Geld erst erstattet nach Zahlung an den MA (sprich der Casheffekt wird erst 2-ggf 4,5 Wochen nach Zahlung aufgefangen; bzw. je nach Andrang kann die Bearbeitung auch länger dauern).
„Homeoffice“
Voraussetzungen:
- Ein gesetzlicher Anspruch, von zu Hause aus zu arbeiten, besteht nicht. Ein Anordnungsrecht des Arbeitgebers, Homeoffice-Arbeit abzuleisten, besteht nicht.
- Die Vertragsparteien können dies jedoch vereinbaren. Soweit entsprechende Vereinbarungen existieren, kann auf diese zurückgegriffen werden.
- Die Option kann sich zudem aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben.
Problem:
Das Instrument eignet sich nicht für alle Tätigkeiten und ist abhängig von der Schaffung technischer Möglichkeiten.
Arbeitszeitkonten
Im Überblick:
Vereinbarung unterschiedlicher Arbeitszeiten im Verlaufe des Kalenderjahres bei gleichbleibendem Arbeitsentgelt und entsprechender Kontierung des Entgeltguthabens oder zum Zwecke des Ausgleichs betrieblicher Produktions- und Arbeitszyklen. Für solche Arbeitszeitmodelle wird der Begriff „Flexi-Konten“ verwendet (BT-Drs. 16/10289 S. 14). Solche Vereinbarungen sind formlos möglich, sie tragen in erster Linie betrieblichen Interessen Rechnung und gewährleisten eine am zyklischen Arbeitsaufkommen orientierte, wirtschaftlich sinnvolle Auslastung der Arbeitskräfte sowie einen gleichmäßigen Mitarbeiterbestand.
Voraussetzungen:
- Die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos muss ausdrücklich durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag vereinbart werden.
Problem:
Der Arbeitgeber zahlt verstetigt fort. Deckungsbeiträge erhält er hierzu nicht.
Sonstige Maßnahmen:
Der Arbeitgeber kann weiterhin zusätzlich zu den oben genannten Instrumenten Maßnahmen ergreifen, um im Fall einer weiteren Ausbreitung einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Soweit es für notwendig angesehen wird, könnte in mitbestimmten Unternehmen eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Anstehende Fragen können auch während einer weiteren Ausbreitung im Einzelfall mit dem Betriebsrat erörtert werden. Dies hat den Vorteil, dass dann die Regelungen vor einem konkreten Hintergrund erörtert werden können. Eine Betriebsvereinbarung könnte sich auf folgende Bereiche erstrecken:
- Zeitlicher Geltungsbereich: für die Dauer einer behördlich festgestellten Ausbreitung;
- Sachlicher Geltungsbereich: Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter und zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs;
- Möglichkeit des Arbeitgebers, Tätigkeiten, die örtlich, zeitlich und/oder sachlich von den vertraglich festgelegten Aufgaben der Arbeitnehmer abweichen, vorübergehend zuzuweisen, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten;
- Möglichkeit zur Anordnung von Heim- oder Telearbeit durch den Arbeitgeber zum Schutz der Arbeitnehmer und/oder zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs;
- Möglichkeit zur Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber zum Schutz der Arbeitnehmer und/oder zum Abbau überflüssiger Personalkapazitäten;
- Möglichkeit zur flexiblen Gestaltung von Arbeitszeiten, insbesondere um Mitarbeitern, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, eine Anfahrt zum Arbeitsplatz außerhalb der Stoßzeiten zu ermöglichen;
- Grundsätzlich Urlaubsverbot bzw. Verbot zum Abbau von Überstunden; bei personellen Überkapazitäten Gewährung von Urlaub/unbezahltem Urlaub auf Antrag bzw. Verpflichtung der Arbeitnehmer, Überstunden abzubauen.
Bei Fragen zu diesen und anderen Instrumenten, zu Formulierungsvorschlägen für die Arbeitsverträge, zur Betriebsratsbeteiligung in mitbestimmten Betrieben, zur Anwendung von Tarifverträgen bei Tarifgebundenheit etc. kommen Sie gerne auf uns zu.
Unsere Erreichbarkeit und Arbeitsfähigkeit ist derzeit und auch im Falle weiterer Verschärfungen der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus gesichert.
Bleiben Sie gesund !